Startseite » Bücher » GESANG DES FEUERS: Die Fengard Chroniken 2 – Leseprobe

»Das Blut eines Hüters.« Der Feenprinz strich mit dem Finger an der Kreislinie entlang und blickte dann versonnen auf das Blut, das an seiner Fingerspitze klebte. Larkins Blut.

Nach ihrer demütigenden Vertreibung aus Fengard sinnen die Feen auf Rache.
Während der ganze Hof wegen der Vermählung zwischen Kronprinz Kianéran und dem Hexer Larkin in Aufruhr ist, hat Feenprinz Cadogan längst einen Weg gefunden, sich unbemerkt in Fengard einzuschleichen. Als Larkin ihm schließlich in die Falle geht, ist der junge Drache Rhis der Einzige, der den Hexer noch retten kann. Doch dazu müsste Rhis sein Geheimnis offenbaren …

 

LESEPROBE

Prolog

»Vater.« Cadogan neigte respektvoll den Kopf, sorgsam darauf bedacht, sein Haar über die hässlichen Narben fallen zu lassen, die seine einstmals so makellosen Gesichtszüge entstellten.

»Ich gehe davon aus, du warst erfolgreich?« Sein Vater hatte ihm den Rücken zugewandt und starrte in den Wald. Es war allgemein bekannt, dass er den Anblick seines Sohnes nicht länger ertragen konnte.

»Ja, Vater. Der Heiler wird uns unterstützen.« Es war so lächerlich einfach gewesen. Der Hüter hatte es nicht einmal gemerkt, als Cadogan während ihres Besuchs auf der Burg seine Magie gewoben hatte, so eingenommen war er von seinem Prinzlein gewesen, so versessen darauf, die königliche Familie zu schützen. Es hatte danach nicht mehr viel gefehlt, um den Heiler des Königs für die Sache der Feen zu gewinnen.

Menschen konnten so einfältig sein.

»Sehr gut. Dann wird es bald so weit sein.«

Cadogan nickte, selbst wenn es sein Vater nicht sehen konnte. »Ja, Vater.«

Bald.

Bald würde er Rache nehmen können. Oh, er konnte sie schon auf der Zunge schmecken, süß und köstlich.

Er würde den Hüter leiden lassen.

Und Fengard würde endlich wieder ihnen gehören.

 

1

 

»Rakhanis, wach endlich auf, du fauler Haufen Schuppen!«

Rakhanis rollte sich enger zusammen und versuchte die Stimme zu ignorieren, die sich in seine Träume drängte.

»Rakhanis, verdammt, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«

Er schlug träge mit dem Schwanz nach der Stimme und wurde im nächsten Moment mit einem überraschten Schrei belohnt, als sein Schwanz auf Widerstand traf. Das sollte ihnen eine Lehre sein. Sie konnten ihn quälen, soviel sie wollten – brechen würden sie ihn niemals.

»Du stinkende Eidechse, ich bin es, Failan. Beweg endlich deinen verfluchten Hintern!«

Rakhanis öffnete das rechte Auge einen Spaltbreit und beäugte den Greifen, der sich direkt vor ihm aufgebaut hatte. Er war ungewöhnlich klein – selbst für einen Greifen –, nicht einmal halb so groß wie Rakhanis. Dunkelbraunes Gefieder bedeckte Failans Brust und Vorderläufe. Es reichte ihm bis zwischen die Schultern, wo es in sandfarbenes Fell überging. Zumindest glaubte Rakhanis, dass es sandfarben war – im Schein des grünlich schimmernden Mooses, das an der Decke und den Wänden klebte und eine stinkende Wolke aus Sporen entließ, wann immer Rakhanis es versehentlich berührte, konnte er die Farbe nur erraten.

»Lass mich in Ruhe, Greif«, grollte Rakhanis und vergrub die Schnauze unter seinem Schwanz.

Ein erbostes Zischen erklang ganz in der Nähe und ein paar Krallen bohrten sich schmerzhaft in seine Flanken. »Vielleicht sollte ich das tun, du undankbares Biest! Denn die Winde wissen, dass du mir nichts als Ärger bereitest.«

»Was willst du, Failan?«, grollte Rakhanis und schlug ein weiteres Mal mit dem Schwanz. Diesmal brachte der Greif sich rechtzeitig in Sicherheit.

»Dir helfen, du Dummkopf.«

Rakhanis schnaubte und rollte sich enger zusammen. Die Höhle, in der er seit Dekaden angekettet war, bot nicht einmal genug Platz, dass er sich aufrichten, geschweige denn die Flügel ausstrecken konnte. Wahrscheinlich waren all seine Muskeln längst verkümmert. »Du kannst mir nicht helfen.«

»Nicht, wenn du noch länger herumtrödelst. Aber wenn du natürlich lieber hierbleiben willst, bitte, ich werde dich nicht aufhalten.«

Failans Krallen klickten auf dem harten Steinboden, als er sich entfernte. Rakhanis biss die Zähne zusammen. Es war ein Trick, nichts weiter. Auch wenn Failan anders war als die anderen Wächter, hieß das noch lange nicht, dass er sein Wort auch halten würde. Jeder wusste, dass das Wort eines Greifen nichts wert war.

»Also gut. Was willst du?«, knurrte Rakhanis, als er es nicht länger aushielt, und hob widerwillig den Kopf.

Der Greif musterte ihn einen Augenblick lang aus schmalen Augen. Die Ungeduld war ihm deutlich anzusehen. »Ich habe dir versprochen, ich würde einen Weg finden«, grollte er und reckte herausfordernd den Schnabel in die Luft. »Nun, es ist so weit. Aber wir müssen schnell handeln.«

Rakhanis stieß ein bitteres Lachen aus und rasselte mit den Ketten, nur um festzustellen, dass sie nicht mehr da waren. »Was …«, begann er hilflos und hob nacheinander erst die Vorder- dann die Hinterbeine, um sicherzustellen, dass er sich nicht täuschte. Sein Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen, als er Failan mit einem scharfen Blick fixierte. »Was hat das zu bedeuten?«

Failan erwiderte seinen Blick mit hoch erhobenem Haupt und seine braunen Augen funkelten. »Ich kenne einen Weg hinaus.«

Rakhanis bleckte die Zähne. »Wie schön für dich.«

Der Greif reckte den Hals, bis sein Schnabel beinahe Rakhanis Schnauze berührte, und spreizte die Flügel. »Hast du eine Ahnung, was ich riskiere, um deinen jämmerlichen Hintern endlich hier herauszubekommen?«

»Ich habe dich nicht darum gebeten«, gab Rakhanis ungerührt zurück.

Failan schien regelrecht in sich zusammenzufallen. »Nein, das hast du nicht«, murmelte er und wandte den Blick ab, bevor Rakhanis Gelegenheit hatte, den seltsamen Ausdruck darin zu deuten. Failans Schultern hoben sich in einem Seufzen und er schüttelte sich einmal. Seine dunklen Augen waren hart, als er Rakhanis wieder ansah.

»Ich werde dich nicht hier verrotten lassen, nur weil du zu stur bist, Hilfe von einem Greifen anzunehmen. Ich gebe dir einen Blutsschwur, wenn es das ist, was du willst.«

Rakhanis musterte den Greifen einen Moment lang stumm. »Du würdest einem Drachen einen Blutsschwur geben?«

Failan zischte ungeduldig. »Wenn es notwendig ist, damit du dich endlich in Bewegung setzt.«

Rakhanis wusste, dass er auf dem Blutsschwur bestehen sollte. Aber allein bei dem Gedanken, auf diese Weise mit einem Greifen verbunden zu sein, selbst wenn es Failan war, juckte es ihn in den Zähnen. Wenn Failan sein Wort wirklich halten sollte und Rakhanis seine Freiheit wiedererlangen würde, wollte er nie wieder etwas mit dem stinkenden Federvieh zu tun haben.

Er stieß ein paar Rauchwölkchen aus und fühlte sich gleich besser, als der Greif ihm einen bösen Blick zuwarf. Wahrscheinlich hatte er Angst um sein hübsches Gefieder.

»Und wie stellst du dir vor, mich unbemerkt aus den Höhlen zu schmuggeln?«, grollte er. »Ich bin nicht gerade unauffällig.«

»Nicht in dieser Form.«

Rakhanis erstarrte.

»Sieh mich nicht so an, Rakhanis!«, zischte Failan und plusterte sein Gefieder auf. »Jeder weiß, dass die Drachen noch immer über die Gabe der Gestaltwandlung verfügen. Und du bist einer der mächtigsten. Außerdem, so wie du von deiner Mairen erzählt hast, konnte sie nur ein Mensch sein.«

Rakhanis gab ein tiefes Grollen von sich und spürte, wie sich sein Feuer in ihm regte. Es wäre ein Leichtes, dem Greifen den selbstgefälligen Ausdruck aus dem Gesicht zu brennen. Er sah mit Genugtuung, wie Failan einen Schritt vor ihm zurückwich und dann noch einen, als Rakhanis ihm folgte.

»Ich schwöre dir: Wenn du mein Fell versengst, werde ich dich für immer hier verrotten lassen!«, zischte der Greif.

Rakhanis zischte zurück, während er den Greifen weiter zurückdrängte. Rauch kräuselte sich aus seinen Nüstern, als sich das Feuer in seinem Inneren entfaltete und nach all den Jahren des Schlummers danach lechzte, freigelassen zu werden. Er sollte das Federvieh an Ort und Stelle verbrennen, bevor es die Gelegenheit hatte, seinen Artgenossen von Rakhanis’ Geheimnis zu erzählen. Selbst unter den Drachen wussten nur wenige von seiner Fähigkeit, auch wenn viele wahrscheinlich vermuteten, dass er sie besaß. Schließlich war seine Sippe bekannt für die Gabe der Gestaltwandlung. Außerhalb seines Volkes hatte er sich nur Mairen offenbart. Mairen, seine wilde, ungezähmte Mairen. Die Sehnsucht traf ihn wie ein Blitzschlag und zwang ihn beinahe in die Knie.

»Ich kann dich hier herausbringen, Rakhanis«, sagte Failan leise. »Ich schwöre dir bei den Sieben Winden, bei dem Blut –«

»Schweig!«, donnerte Rakhanis. »Ich will keinen Blutsschwur von einem verfluchten Greifen

»Was willst du dann?«

Die Frage ließ Rakhanis innehalten. Was wollte er? Die Antwort darauf war einfach: Er wollte seine Freiheit zurück, wollte endlich wieder die Flügel ausbreiten und sich in den Himmel erheben. Und Mairen. Beim Ewigen Feuer, wie sehr er sich nach Mairens Umarmung sehnte.

Was hatte er schon zu verlieren?

»Warum hilfst du mir?«

»Weil es das Richtige ist.«

Rakhanis stieß ein grollendes Lachen aus. »Das aus dem Schnabel eines Greifen.« Er machte ein paar Schritte auf den Greifen zu, bis Rakhanis’ Schnauze beinahe den gebogenen Schnabel berührte, und fixierte Failan mit einem scharfen Blick. »Wenn dies nur ein weiterer Versuch ist, mich zu brechen, schwöre ich dir beim Ewigen Feuer, dass versengtes Fell das geringste deiner Probleme sein wird.«

Ein Schauer ging durch den kräftigen Leib des Greifen, doch in seinen Augen war kein Anzeichen von Furcht zu erkennen, nur grimmige Entschlossenheit.

»Ich spreche die Wahrheit, Rakhanis«, sagte er und stieß Rakhanis den Schnabel in einer beinahe spielerischen Geste gegen die Schnauze. »Und wenn wir uns nicht beeilen, waren all meine Bemühungen umsonst.«

Rakhanis knurrte unglücklich. Die ganze Sache gefiel ihm ganz und gar nicht, aber wenn der Greif die Wahrheit sprach – und alles deutete darauf hin –, war dies seine Chance, endlich wieder die Flügel zu spreizen. »Wie lautet dein Plan?«, fragte er widerwillig.

»Du musst deine Menschenform annehmen und dann bringe ich dich hier heraus.«

Rakhanis musterte den Greifen einen Augenblick lang. »Sie werden merken, wenn ich meine Magie gebrauche.«

Failans Augen funkelten belustigt. »Du vergisst, diese Höhlen sind dafür gemacht, um Drachenmagie gefangen zu halten. Niemand wird etwas merken.«

»Und die anderen Wachen?«

Der Greif legte den Kopf zur Seite und plusterte das Gefieder auf. »Kirrin hat offensichtlich ein paar Schlucke Sahhin zu viel getrunken und wird in ein paar Stunden mit einem hämmernden Schädel aufwachen«, erklärte Failan in singendem Tonfall. »Dumm, dass aufgrund seiner Nachlässigkeit der Gefangene entflohen ist.«

»Du würdest dein eigenes Volk, deine Brüder, für einen Drachen verraten?«

Failan machte mit dem Schnabel ein klackendes Geräusch, dessen Bedeutung Rakhanis nur erraten konnte. »Nicht, wenn wir noch sehr viel länger hier herumstehen und ein Pläuschchen halten.«

Rakhanis nahm einen tiefen Atemzug. Er würde verletzlich sein, wenn er in seine menschliche Gestalt wechselte. Menschen waren so … zerbrechlich. Er begegnete Failans herausforderndem Blick und stieß ein drohendes Grollen aus. »Wenn du mich verrätst …«

»Ja, ja, wirst du mir jede Feder einzeln ausrupfen. Nun beeil dich endlich! Oder bist du etwa zu feige?«

Rakhanis wusste, dass es ein Trick war, aber er war ein Drache und würde verdammt sein, ehe er sich einen Feigling nennen ließ – noch dazu von einem verfluchten Federvieh.

Er gab einen Laut von sich, ein langgezogenes Grollen, das den Fels unter ihm erbeben und Staub von der Decke rieseln ließ, und rief sein Feuer. Flammen leckten über seine Schuppen, die von all den Jahren in Gefangenschaft stumpf und rissig geworden waren. Er sah, wie sich Failans Augen weiteten, als jener hastig einige Schritte zurückwich, und auf dem gefiederten Gesicht zeichneten sich Überraschung und Neugier ab.

Die Verwandlung traf Rakhanis mit voller Wucht. Es war so lange her, dass er sich das letzte Mal verwandelt hatte, dass er beinahe vergessen hatte, wie unangenehm der Prozess sein konnte. Seine Schuppen zogen sich zurück, er spürte, wie sich Knochen und Muskeln verschoben und schrumpften und wie das Feuer in seinen Adern brannte. Dann war es vorbei und er lag schwer atmend und zitternd auf dem kalten Höhlenboden.

»Rakhanis?« Failans Krallen klickten auf dem Felsboden und einen Moment später stieß ein warmer Schnabel den Drachen vorsichtig in die Schulter.

Rakhanis gab ein Stöhnen von sich. Seine Haut war so empfindsam, dass es beinahe überwältigend war. Auch das hatte er beinahe vergessen. Wie hielten die Menschen das nur aus? Wie hatte er selbst es ausgehalten?

»Rakhanis.« Failans Stimme war ungewöhnlich sanft, als er Rakhanis ein weiteres Mal mit dem Schnabel anstieß.

Rakhanis gab ein unwilliges Grunzen von sich und spannte nacheinander die verschiedenen Muskeln in seinem ungewohnten Leib an, bevor er sich langsam in die Höhe stemmte. Er war froh, dass er vor seiner Gefangenschaft so viel Zeit in menschlicher Form verbracht hatte, denn seine Muskeln erinnerten sich daran, was sie zu tun hatten, wenngleich sich alles noch ein wenig ungelenk anfühlte. Mit einiger Anstrengung kämpfte er sich auf die Knie und starrte auf seine Hände. Die endlosen Jahre in den Klauen der Greifen waren ganz offensichtlich auch an seinem menschlichen Leib nicht spurlos vorübergegangen. Zwei Finger seiner rechten Hand fehlten und die Ketten hatten tiefe Wunden an seinen Handgelenken hinterlassen. Seltsam, dass ihm das erst jetzt auffiel, aber auf seinen dunklen Schuppen war das Blut kaum zu sehen gewesen.

Er seufzte. Einige Narben mehr in seiner Sammlung – als hätte er davon nicht schon genug gehabt.

Er schwankte leicht, als er versuchte, auf die Beine zu kommen, und fiel gegen Failan, der plötzlich direkt vor ihm stand. Seine Finger krallten sich instinktiv in das Gefieder des Greifen. Einen Moment lang machte sich Furcht in ihm breit und seine Fingerspitzen begannen zu prickeln, als er auf den Angriff des Greifen wartete. Stattdessen zischte Failan nur und rieb den Schnabel an Rakhanis’ Flanke. »Halt dein Feuer zurück! Ich will dir nur helfen.«

Rakhanis atmete langsam aus und zog sein Feuer in sein Inneres zurück, bevor er mit Failans Hilfe auf die Beine kam, die Hände noch immer im Gefieder des Greifen vergraben. Es fühlte sich gut unter seiner neuen, empfindsamen Haut an und er konnte sich gerade noch rechtzeitig zurückhalten, das weiche Gefieder zu streicheln.

»Für einen Menschen siehst du gar nicht so schlecht aus, Drache«, bemerkte Failan.

Rakhanis schnaubte. »Was weißt du schon davon, wie Menschen aussehen, Greif?«

»Oh, mehr, als du denkst«, erwiderte Failan. »Kannst du auf meinen Rücken klettern? Ich lasse dich auch weiter mein Gefieder kraulen.«

Rakhanis spürte, wie das Feuer über seine Wangen leckte und seine Verlegenheit deutlich sichtbar machte. Beim Ewigen Feuer der Tiefe, dieser menschliche Leib verbarg auch nichts vor den Blicken anderer! »Das hättest du wohl gern«, brummte Rakhanis und löste sich widerstrebend von Failan.

Der Greif stieß ein krächzendes Lachen aus, bevor er sich zum Ausgang wandte. Er warf Rakhanis einen Blick über die Schulter zu.

»Kommst du oder willst du hier Wurzeln schlagen?«

»Was ist, wenn wir jemandem begegnen?« Hatte er sich jemals so … nackt gefühlt, als er mit Mairen zusammen gewesen war? Er konnte sich nicht erinnern.

Failan klackte mit dem Schnabel. »Du bist klein genug, dass du dich zwischen meinen Flügeln verbergen kannst. Aber sei unbesorgt. Fast alle meine Brüder und Schwestern sind ausgeflogen, um das Fest der Sieben Winde zu feiern.«

Rakhanis erstarrte, als Failans Anspielung auf Rakhanis’ Größe ihn unangenehm daran erinnerte, wie verwundbar er in seiner menschlichen Gestalt doch war. Es wäre ein Leichtes für den Greifen, Rakhanis mit einem Hieb seiner Krallen ernsthaften Schaden zuzufügen. Ehe er recht wusste, was er tat, hatte Rakhanis bereits die Zähne gefletscht und die Hände zu Klauen geformt.

»Ich bin nicht klein!«, zischte er und konnte das Feuer bereits auf der Zunge schmecken.

Failan wirkte vollkommen unbeeindruckt. »Das kommt auf die Sichtweise an«, erwiderte er mit einem belustigten Funkeln in den Augen und machte dann eine ungeduldige Bewegung mit seinem Kopf. »Komm endlich.«

Rakhanis stieß ein drohendes Grollen aus, das in seiner menschlichen Gestalt nicht annähernd so drohend klang wie beabsichtigt. Er zögerte noch einen Moment lang, bevor er widerstrebend auf den Rücken des Greifen kletterte und es sich auf dessen breitem Rücken bequem machte.

»Halt dich an meinen Flügelschultern fest«, befahl Failan, als sich seine Flügel wie ein Kokon um Rakhanis herumlegten und sich der kräftige Leib in Bewegung setzte. Er presste sich eng an Failans Rücken und betete zu Rokhar, dem Wächter des Ewigen Feuers, dass die Flügel des Greifen Rakhanis tatsächlich verbergen würden. Es war verrückt, völlig verrückt, dass er sich einem Federvieh anvertraute, dass er seine menschliche Gestalt einem Greifen offenbart hatte! Er konnte nur hoffen, dass er Mairen mit seinem losen Mundwerk nicht in Gefahr gebracht hatte. Andererseits war Mairen sehr wohl in der Lage, auf sich selbst aufzupassen, und sein Instinkt sagte ihm, dass Failan tatsächlich die Wahrheit sprach. Die Welt musste wahrhaftig vor dem Untergang stehen, wenn ein Greif einem Drachen zur Flucht verhalf.

Rakhanis hielt den Atem an, als Failans Schritte unvermittelt stockten. Waren sie bereits aus den Höhlen hinaus?

»Failan, ich hatte gedacht, du wärest bereits bei den Festlichkeiten.«

Rakhanis wagte es nicht zu atmen, als er die fremde Stimme hörte, und zog so langsam wie möglich die Finger von Failans Flügelschultern zurück. Dessen Flügel pressten sich enger gegen seinen Leib und Rakhanis konnte die Anspannung des Greifen spüren.

»Larrana, wie gut, dass ich dich treffe!«, rief Failan aus und seine Stimme klang ein wenig schriller als sonst, seine Worte plötzlich harscher, kehliger, sodass Rakhanis Mühe hatte, ihm zu folgen. »Hast du Falora gesehen? Ich habe schon den halben Berg nach ihr abgesucht und kann sie nirgends finden. Dabei erzählt sie mir schon seit Wochen von ihrer neuen Rüstung und ich wollte sie doch wirklich sehen. Schließlich erhält man nicht oft die Gelegenheit, seine eigene Schwester als Teil der Garde der Ältesten zu sehen. Wenn ich sie nicht bald finde, wird sie mir sicherlich –«

»Du weißt selbst, dass es noch eine Weile dauern wird, bis die Garde ihre Aufwartung macht, Failan«, unterbrach die Stimme – Larrana, vermutete Rakhanis – Failans Wortschwall mit deutlicher Ungeduld. Sie war noch schwerer zu verstehen als Failan, ihre Worte hart, mit abgehackten Endungen und Rakhanis ging mit einem Mal auf, dass Failan der Einzige war, der für gewöhnlich leicht zu verstehen war – als hätte er seine Redeweise derjenigen Rakhanis’ angepasst. Der Gedanke war geradezu lächerlich. »Misch dich unters Volk und warte wie alle anderen auch. Du wirst deine Schwester früh genug zu Gesicht bekommen.«

»Oh«, machte Failan. Rakhanis verlor beinahe den Halt auf dem glatten Fell, als der Greif einen Schritt zurückging, und biss die Zähne zusammen, um keinen Laut von sich zu geben. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Dann sollte ich mich wohl besser schnell auf den Weg machen, um mir einen guten Platz zu sichern.«

Ein Klacken erklang. »Das solltest du.«

Rakhanis’ Herz setzte einen Moment lang aus, als Failan unvermittelt den Kopf senkte und Rakhanis ein Stück nach vorn rutschte. Hatte ihn der andere Greif gesehen? Konnte er Rakhanis wittern? Er presste das Gesicht in Failans Fell und versuchte, so flach wie möglich zu atmen, die Finger in das kurze Fell gekrallt, damit er nicht weiterrutschte.

»Mögen die Winde mit dir sein, Larrana«, sagte Failan.

Es blieb still und Rakhanis war sich bereits sicher, entdeckt worden zu sein, als er das schwache Klicken von Krallen auf Fels hörte, das in dem lauten Hämmern seines eigenen Herzens fast untergegangen wäre. Er hoffte inständig, dass es bedeutete, dass sich der andere Greif endlich davonmachte. Einen Moment später hoben sich Failans Flanken unter einem tiefen Atemzug und er richtete sich wieder auf, ehe er sich in Bewegung setzte.

Rakhanis presste sich gegen den Rücken des Greifen, wagte es jedoch nicht, noch einmal die Hände nach Failans Flügelschultern auszustrecken aus Angst, jemand könnte Rakhanis’ Finger sehen.

Er war so sehr damit beschäftigt, nicht von Failans Rücken zu fallen, dass er die Veränderung zuerst gar nicht bemerkte. Vielleicht waren auch seine Sinne nach der langen Gefangenschaft abgestumpft. Doch nach und nach drängte sich das Wispern des Windes in seine Gedanken und Rakhanis konnte hören, wie sich eine neue Melodie unter den schweren Gesang der Erde mischte: Freiheit. Er konnte sie bereits auf der Zunge schmecken und musste sich zusammenreißen, um nicht aus dem Schutz der Flügel, die ihn verbargen, auszubrechen und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass er nicht länger in den Höhlen gefangen war. Failan musste etwas von seiner Ungeduld gespürt haben, denn die kräftigen Flügel schlossen sich noch enger um Rakhanis, als könnten sie ihn daran hindern zu fliehen, wenn er es wirklich gewollt hätte. Er dachte eine Weile darüber nach, ob es klug wäre, Failan noch länger zu vertrauen. Er könnte sich verwandeln und jeden Greifen zu Asche verbrennen, der sich ihm in den Weg stellte. Doch sein Feuer fühlte sich träge und verschlafen in seinem Inneren an und der Moment der Verwandlung würde ihn verwundbar machen.

Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis Failan endlich anhielt. Seine Flügelspitzen strichen sanft über Rakhanis Rücken, als er sie anhob, und Rakhanis blinzelte gegen das plötzliche Licht. Failan hatte am Ende eines Tunnels angehalten, der auf ein Felssims hinausführte, das sich nur wenige Drachenlängen über dem Erdboden befand. So weit das Auge reichte, erstreckte sich ein Wald aus Felsnadeln und Rakhanis musste den Hals verdrehen, um auch nur ein Stück des Himmels ausmachen zu können. Auch wenn sie sich noch immer in dem roten Berg befanden, in dem Rakhanis all die Jahre gefangen gewesen war, war er der Freiheit doch näher als jemals zuvor.

Rakhanis setzte sich langsam auf. »Worauf warten wir?«

Failan schlug mit dem Schwanz und warf Rakhanis einen Blick über die Schulter zu. »Wir werden noch ein Stück fliegen müssen, bis du in Sicherheit bist«, erklärte er.

Rakhanis sah ihn verständnislos an, bevor er sich unbehaglich umsah. »Fliegen?« Er konnte sich unmöglich verwandeln, nicht hier, im Berg der Greifen.

»Ja.« Failan wirkte belustigt. »Setz dich einfach auf meinen Rücken und halt dich an mir fest, dann fliege ich dich an den Rand der Nadeln.«

»Du willst, dass ich auf deinem Rücken sitze? Wo mich jeder sehen kann? Bist du verrückt?«

Failan klapperte mit dem Schnabel. »Wir haben keine andere Wahl – und jetzt mach endlich! Oder willst du noch ein paar Dekaden die Gastfreundschaft meines Volkes genießen?«

Rakhanis bleckte die Zähne, woraufhin Failan nur die Augen verdrehte und mit dem Schnabel nach ihm schnappte. »Niedlich.«

»Ich könnte dich verbrennen.«

»Und wer würde dich dann hier heraustragen? Beweg endlich deinen Hintern, Echse, bevor ich Wurzeln schlage!«

Grummelnd rutschte Rakhanis vorwärts, bis er die Beine über Failans Flügelschultern schwingen konnte, und legte die Arme um Failans Hals. Dies war Wahnsinn. Es musste nur ein Greif in ihre Richtung sehen und alles wäre aus und vorbei. »Warum musst du so dunkles Gefieder haben? Ich bin kaum zu übersehen.«

»Niemand wird uns sehen, weil sie alle auf dem Fest beschäftigt sein werden, und jetzt hör auf zu jammern und halt dich fest.« Ohne auf eine Erwiderung zu warten, schlug Failan mit den Flügeln und machte einen Satz von dem Felsvorsprung hinunter, auf dem sie gestanden hatten. Rakhanis klammerte sich instinktiv an Failans Hals, als der Greif sich fallen ließ, und schluckte gegen die plötzliche Übelkeit in seiner Magengegend. Rakhanis hatte das Fliegen immer geliebt, aber alles, was er nun empfand, waren blankes Entsetzen und der dringende Wunsch, so schnell wie möglich wieder Boden unter den Füßen zu spüren. Er hoffte nur, dass Failan ihn nicht fallen lassen oder er den Halt verlieren würde. Er kniff die Augen fest zusammen, machte sich so klein wie möglich und betete zu Rokhar, dass Failan recht behalten mochte und ihnen niemand Beachtung schenken würde.

Rakhanis dachte gerade darüber nach, ob er es wagen sollte, die Augen zu öffnen, als Failan zur Landung ansetzte. Rakhanis biss die Zähne zusammen und verstärkte seinen Griff, als er dabei beinahe von Failans Rücken geworfen wurde.

Zögernd öffnete Rakhanis die Augen. Failan war in den Schatten einiger Bäume getreten, die sich verbissen an den felsigen Berghang klammerten und nur spärlichen Schatten boten.

»Du kannst herunterkommen, wenn du willst«, sagte Failan.

Rakhanis ignorierte ihn und starrte stattdessen in den blauen Himmel, der sich hoch über ihnen wölbte. Mit einem Seufzen hob er die Arme, genoss einfach nur das Gefühl des Windes auf seiner empfindsamen Menschenhaut und lauschte auf das Lied der Freiheit.

Die Bäume standen im saftigen Grün des Frühlings und der Wind trug bereits die ersten Vorboten des Sommers mit sich. Rakhanis hatte beinahe vergessen, wie sich der Wind anfühlte, wie voll und reich sein Klang in den Bergen war, wie belebend der Duft des Frühlings sein konnte, wie sich das Feuer der Sonne auf seiner Haut anfühlte.

»Weißt du …« Er musste sich räuspern, als seine Stimme ihm den Dienst versagte, und begann von Neuem. »Weißt du, wie lange ich … gefangen war?«

Failan warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu und starrte dann in den Himmel. »Zweieinhalb Dekaden«, sagte er nach kurzem Zögern und senkte den Kopf. »Es tut mir leid.«

Die Entschuldigung kam so unerwartet, dass Rakhanis Failan überrascht anblickte. Doch der Greif starrte noch immer betreten zu Boden. Rakhanis’ Hand fand ihren Weg in das weiche Gefieder in Failans Nacken, ehe er recht wusste, was er tat. Erst jetzt ging ihm auf, dass er noch immer auf dem Rücken des Greifen saß, obwohl Failan ihm schon vor einer Weile erlaubt hatte abzusteigen.

Er spürte wieder die verfluchte Hitze im Gesicht, als er sich von Failans Rücken gleiten ließ. Seine Beine gaben unter ihm nach, sobald seine Füße den Boden berührten, und er fiel mit einem Keuchen auf die Knie. Weiches Moos fing seinen Fall auf, das ihn schmerzlich an glücklichere Tage an Mairens Seite erinnerte. Er grub die Finger in die weiche Erde und atmete ihren würzigen Duft ein – den Duft der Freiheit.

Mit einem dumpfen Geräusch fiel etwas vor ihm auf den Boden und brachte ihn mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurück. Er streckte die Hand nach dem Bündel aus und war überrascht, als es sorgfältig gefaltete Kleider waren, wie sie die Menschen trugen. Er sah zu Failan auf, der ihn stumm beobachtete.

»Kleidung?«

Failan rollte die Schultern. »Ich weiß, dass du nicht so leicht frierst wie die Menschen, aber ich dachte, sie würde dir helfen, weniger aufzufallen.«

Failan hatte es geplant. Die Flucht, die betrunkene Wache, die Kleidung … Rakhanis’ Finger fanden einen kleinen Tiegel zwischen den Kleidungsstücken und er holte ihn mit einem Stirnrunzeln hervor.

»Für deine Wunden«, sagte Failan leise.

Rakhanis sah langsam von dem Tiegel auf und begegnete Failans Blick. »Wie lange schon, Failan?«

Failan erwiderte stumm Rakhanis’ Blick mit einem Ausdruck in den dunklen Augen, den Rakhanis nicht so recht zu deuten vermochte. Er hatte sich bereits damit abgefunden, keine Antwort auf seine Frage zu erhalten, als Failan schließlich doch das Wort ergriff.

»Seit dem Tag, da sie dich zum Berg brachten.«

Rakhanis blinzelte. »Aber du bist doch erst seit ein paar Jahren …« Seine Stimme verlor sich, als er die Wahrheit in Failans Augen erkannte. Es konnte unmöglich sein, es war eine geradezu lächerliche Vorstellung, dass ein Greif sich solche Mühe für einen Drachen geben sollte. Zweieinhalb Dekaden! Was hatte Failan alles unternehmen müssen, um an diesen Punkt zu gelangen?

Auf einmal fiel es Rakhanis schwer zu atmen.

Failan stieß ihm leicht den Schnabel gegen die Schulter und ein weiteres Bündel fiel Rakhanis in den Schoß: ein Wasserschlauch und er war sich sicher, dass der lederne Beutel Proviant enthalten würde.

»Du solltest dich auf den Weg machen«, sagte Failan, seine Stimme rauer, als Rakhanis sie in Erinnerung hatte.

Rakhanis konnte Failan nur wortlos anstarren. Er hatte das Gefühl, als sähe er ihn zum ersten Mal, und vielleicht tat er das auch. Zum ersten Mal in Freiheit; zum ersten Mal in dem vollen Bewusstsein, was Failan alles getan hatte – ein Greif.

»Es wird am besten sein, du steigst die Berge hinab nach Fengard. Finde deine Mairen.«

»Wie kann ich dir je danken für alles, was du für mich getan hast?«

Failan schlug mit dem Schwanz und klackte einmal mit dem Schnabel. »Deine Freiheit ist mir Dank genug.«

Rakhanis schüttelte den Kopf. Failans Handeln widersprach allem, was der Drache jemals über Greifen gedacht hatte. Er erhob sich mit zitternden Beinen und lehnte sich dankbar gegen Failan, als dieser neben ihn trat. Rakhanis schlüpfte rasch in die Kleidung und stellte mit Erstaunen fest, dass Failan sogar an ein Paar Stiefel gedacht hatte, die noch dazu einigermaßen passten.

»Wie hast du all das aufgetrieben?«, fragte Rakhanis, als er das Bündel schulterte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie sich ein Greif unbemerkt in ein Dorf der Menschen schleichen sollte, um einen Haufen Kleidung zu stehlen – insbesondere Kleidung, die für einen Mann gemacht und von passabler Qualität war.

Failans Ausdruck war schwer zu deuten. »Ich hatte genug Zeit.«

Da war etwas in seiner Stimme, was Rakhanis stutzen ließ. Er sah Failan scharf an. »Woher weißt du überhaupt so viel über Menschenkleidung?«

»Du solltest aufbrechen«, sagte Failan barsch, ohne auf Rakhanis’ Frage einzugehen, »bevor sie herausfinden, dass du geflohen bist.«

»Failan …«

»Rakhanis.« Failans Augen funkelten. »Ich habe dich nicht aus den Höhlen herausgeschmuggelt, nur damit dich meine Brüder an den Berghängen erwischen und töten. Wir haben schon genügend Zeit verschwendet. Geh!«

Rakhanis biss die Zähne zusammen. Er hatte tausend Fragen, aber Failan hatte recht: Er sollte schleunigst das Weite suchen, so viel Abstand zwischen sich und die Greifen bringen, wie er nur konnte, bevor sie seine Flucht bemerken würden. Schließlich konnte er es mit seinen zwei Beinen kaum mit einem Paar Flügel aufnehmen.

»Was wird aus dir?«, fragte Rakhanis. »Man hat dich im Berg gesehen.«

Failan stieß ein krächzendes Lachen aus. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin nur ein plappernder Narr, den niemand wirklich ernst nimmt.«

Rakhanis dachte daran, wie Failan mühelos den anderen Greifen getäuscht hatte, während er dabei gewesen war, einen Drachen aus dem Berg zu schmuggeln. Nein, Failan war alles andere als ein Narr. Rakhanis empfand fast so etwas wie Bewunderung für den Greifen. Unfassbar. »Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich diese Worte jemals zu einem Greifen sagen würde, aber ich stehe tief in deiner Schuld, Failan.«

Failan neigte den Kopf zur Seite und musterte Rakhanis einen Moment lang stumm. »Hm. Ein Wunder, dass du an den Worten nicht erstickt bist, Drache.«

Rakhanis gab ein warnendes Grollen von sich, bevor er das schelmische Funkeln in Failans Augen bemerkte, und war überrascht von dem Lachen, das mit einem Mal über seine Lippen kam, rau und ungewohnt. Seine Finger schlossen sich unwillkürlich fester um den Riemen seines Bündels, als er Failans wissendem Blick begegnete.

»Wenn du je meine Hilfe brauchst, such nach Mairen im Schattenwald und frag sie nach mir. Sie ist die Hüterin der Schatten; sie wird wissen, wo du mich finden kannst.«

Failan nickte und stieß seinen Schnabel leicht gegen Rakhanis’ Brust. »Nimm dich vor deinen Brüdern in Acht«, sagte der Greif leise. »Es war kein Zufall, dass die Greifen dich so leicht gefangen nehmen konnten.«

Rakhanis lief ein eisiger Schauer über den Rücken. »Was weißt du?«

»Nicht viel. Das Wispern des Windes. Bleib auf der Hut.«

Rakhanis nickte. »Das werde ich. Hab Dank, Failan.«

Failan stieß Rakhanis ein weiteres Mal gegen die Brust, diesmal mit ein wenig mehr Nachdruck. »Geh und finde deine Mairen, du stinkende Eidechse, ehe du doch noch an deinen Worten erstickst.«

Rakhanis lachte und wandte sich zum Gehen. »Ich bin froh, wenn ich den Gestank deiner Federn nicht länger ertragen muss!«

»Pah! Nichts gegen diese ekelhaften Schuppen, die immerzu in meinem Fell hängen bleiben.«

Rakhanis lächelte. Es fühlte sich ungewohnt an und doch richtig – wie der Anfang von etwas Neuem.

»Lebe wohl, Failan.«

Failan neigte den Kopf. »Lebe wohl, Rakhanis. Und sieh zu, dass du dich nicht wieder in Schwierigkeiten bringst. Einmal deine zweifelhafte Bekanntschaft gemacht zu haben, reicht mir für ein Leben.« Ohne eine Antwort zu erwarten, wandte sich der Greif um und trottete zwischen den Bäumen hindurch, bis er einen Felsvorsprung erreichte. Mit ein paar kräftigen Flügelschlägen stieß er sich ab und erhob sich in die Luft.

Rakhanis sah ihm noch eine Weile nach, bevor er sich zum Gehen wandte. Es würde ein langer Abstieg werden.