Startseite » Hüter der Lieder – Die Fengard Chroniken 3

Endlich! Der langerwartete dritte Band der Fengard Chroniken ist ab dem 31.03.2021 im Handel erhältlich – als Kindle E-Book oder Taschenbuch. Vorerst leider nicht als Hörbuch, da Audible sich gegen die Veröffentlichung entschieden hat.

Nachdem er den Feen nur knapp entkommen ist, will Larkin nur noch eines: Sich im Schattenwald verkriechen und so tun, als wäre nie etwas geschehen. Doch das ist gar nicht so einfach, wenn man mit Fengards Kronprinzen vermählt ist und einen Drachen zum Adoptivsohn hat.
Als plötzlich ein Greif vor der Tür steht, der sie vor einem Angriff der Feen warnt, muss Larkin sich seinen Dämonen stellen. Doch ist er noch rechtzeitig, um den drohenden Sturm zu verhindern? Und ist dem Wort eines Greifen überhaupt zu trauen?

Ein romantischer Fantasy-Roman, erhältlich als Kindle E-Book und Tachenbuch, 385 Seiten.

ISBN Printausgabe: 978-3-754101-89-6

ASIN (Kindle-Ebook): B091F4RQZ4

Leseprobe:

Der Wald war voller Schatten.
Es war nicht die Art Schatten, die die Höhlen und Felsspalten bevölkerte. Nein. Diese Schatten wirkten seltsam … lebendig. Lauernd. Als wären all die Geschichten über dunkle Wesen und Gestalten lebendig geworden, um sich im Schutz der Dunkelheit zu versammeln und auf ein ahnungsloses Opfer zu warten, das sie mit sich in den Abgrund zerren konnten.
Failan kannte die Geschichten, die sich um den Schattenwald rankten. Von Greifen, die dem Rand zu nah gekommen und abgestürzt waren, von anderen, die den Wald hatten überqueren wollen und niemals mehr gesehen wurden. Es waren Spukgeschichten, mit denen man den Küken Angst einjagte, damit sie sich auf ihren ersten Flügen nicht zu weit vom Nest entfernten.
Als junger Greif hatte Failan sich manchmal in den Berghängen über dem Wald versteckt und das Meer aus Bäumen beobachtet, doch auch er hatte es nie gewagt, sich dem Wald zu nähern, geschweige denn ihn zu betreten. Selbst der Wind, der vom Schattenwald hinauf in die Berge wehte, klang dunkel und bedrohlich.
Vielleicht hätte Failan einen anderen Weg finden sollen, um seine Nachricht zu überbringen. Der Wald war verflucht, so viel war sicher.
Ewiges Zwielicht herrschte unter dem dichten Blätterdach und das Unterholz schien bevölkert von unsichtbaren Wesen, die Failan beobachteten. Die Sträucher selbst schienen von unheiligen Geistern beseelt und zerrten an Failans Kleidung, wenn er ihnen zu nah kam, zogen an seinen Haaren und zerkratzen ihm das Gesicht. Vor einigen Tagen war er in eine Gruppe von Bäumen geraten, die versucht hatten, ihn zu fressen.
Manchmal wünschte er sich, er hätte den Wald nie betreten.
Bisweilen beschlich ihn der ungute Verdacht, dass der Wald das Tor zur Unterwelt beherbergte oder vielleicht war dies auch bereits die Unterwelt. Vielleicht war Failan bereits gestorben und dies war die Strafe dafür, dass er versucht hatte, sein Volk zu verraten.
Er geriet ins Straucheln, als sich sein Fuß in einer weiteren Ranke verhedderte. Dornen kratzten über seine empfindliche Menschenhaut und Zweige zerrten an seinen Haaren, während er wild mit den Armen ruderte und versuchte, das Gleichgewicht wiederzufinden. Failan hatte keine Ahnung, wie die Menschen es ertrugen in diesem kleinen, zerbrechlichen Leib gefangen zu sein. Er vermisste seine Flügel, vermisste das Gefühl des Windes, das durch sein Gefieder streifte. Bei den Sieben Winden, aber wer hätte gedacht, dass es so schwierig sein könnte, ein Mensch zu sein? Die Zeit, die er darauf verwendet hatte, die Menschen zu studieren und sich einige Male unter sie zu mischen, war ganz offensichtlich nicht annähernd genug gewesen, um ihn auf diesen Albtraum vorzubereiten. Wie hielt Rakhanis es nur aus? Oder hatte er es am Ende gar nicht geschafft? Nein. Rakhanis war stur genug, dass ihm einige Zeit als Mensch nicht viel ausmachen würde. Wahrscheinlich ließ er sich irgendwo die Sonne auf den schuppigen Leib scheinen oder zog seine Kreise über den Himmel, während Failan sich durch das borstige Gestrüpp des verfluchten Schattenwaldes kämpfte.
Wenn nur die verfluchten Schmerzen in seinen Füßen nicht wären! Er hatte einige Male versucht, ohne Stiefel zu laufen, doch die Haut an den Fußsohlen war so dünn, dass er sie sich an ein paar spitzen Steinen aufgerissen hatte. Einige Male hatte er überlegt, sich zu verwandeln, doch mittlerweile war das Unterholz zu dicht und die Bäume standen zu eng, um die Flügel auszubreiten. Er war wirklich und wahrhaftig gefangen. Hatte Rakhanis sich so gefühlt, all die Jahre, die er in der Höhle angekettet war? Wie hatte er es ausgehalten, ohne völlig den Verstand zu verlieren?
Failan wirbelte herum, als es hinter ihm raschelte. Er starrte in die Dunkelheit und ein Paar glänzender Augen starrte zurück. Failan blieb stocksteif stehen.
Er hielt die Augen weit aufgerissen, bis sie anfingen zu brennen und erst dann erkannte er die runde Gestalt, die ein wenig wie eine Mistel aussah oder wie ein winziger Busch mit einem Paar lidloser Augen, die wie polierte Edelsteine schimmerten. Es war vor ein paar Tagen unvermittelt aufgetaucht, nachdem Failan Bekanntschaft mit den gefräßigen Bäumen gemacht und den Tag verflucht hatte, da er Rakhanis zum ersten Mal gesehen hatte. Failan wusste noch immer nicht, ob es ein böser Geist oder einfach nur ein seltsames Tier war. Ganz zu Anfang hatte er versucht, das Wesen zu verscheuchen aus Angst, dass es sich als ebenso gefräßig wie die Bäume herausstellen würde. Doch es hatte sich als unglaublich hartnäckig herausgestellt und hatte sogar versucht in Failans Haar ein Nest zu bauen, als er sich zum Schlafen niedergelegt hatte. Seitdem tauchte es immer wieder auf und begleitete ihn manchmal einige Schritte lang, bevor es wieder im Unterholz verschwand. Failan hoffte inständig, dass es keine Eier auf ihm abgelegt hatte.
»Was willst du schon wieder?«, fragte Failan müde. Der Wind heulte durch die Baumwipfel wie ein Dämon und am Rande seines Gesichtsfeldes bewegten sich die Schatten, als warteten sie nur darauf, dass Failan endlich aufgab.
Das Wesen hüpfte von dem Baumstamm herunter, auf dem es gestanden hatte, trippelte auf Failan zu und blieb dann erwartungsvoll vor ihm stehen. Es war kaum größer als eine menschliche Hand, Blätter bedeckten seinen runden Körper in allen Formen und Farben, sodass es förmlich mit dem Laub, das den Waldboden bedeckte, verschmolz. Es war ein seltsames Wesen und Failan hätte zu gern gewusst, um was es sich handelte.
Er seufzte, als das Wesen keine Anstalten machte sich zu rühren. Vielleicht war es eingeschlafen oder hatte Wurzeln geschlagen. Failan wollte schon über es hinwegsteigen und seinen Weg fortsetzen, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. »Du weißt nicht zufällig, wo die Hüterin wohnt?«
Das Wesen blickte Failan einen Augenblick lang stumm an, drehte sich dann herum und verschwand lautlos im Gebüsch.
Failan stieß einen weiteren Seufzer aus. Was hatte er auch anderes erwartet? Der Wald schien etwas gegen ihn zu haben. Vielleicht ahnte er, dass Failan nicht hierhergehörte. Die Blätter über ihm raschelten und ein Schauer lief ihm den Rücken hinab, sodass er sich rasch wieder in Bewegung setzte. Es war ihm ein völliges Rätsel, wie jemand freiwillig hier leben konnte. Aber hausten die Drachen nicht ohnehin in Höhlen? Wahrscheinlich fühlte Rakhanis sich hier wie zu Hause.
Er stolperte, als das Wesen wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte, die dürren Arme in die Seiten gestemmt, und Failan böse anfunkelte.
Failan wich einen Schritt zurück. Er hatte keine Ahnung, was er getan hatte, um den Ärger des Männleins zu erregen, und wollte nicht herausfinden, wozu es fähig war. Doch damit schien er das Wesen nur noch mehr gegen sich aufzubringen. Die blauen Augen blitzten unheilverkündend und Failan war drauf und dran, die Flucht zu ergreifen, als das Wesen zuerst auf Failan deutete und dann hinter sich in den Wald.
Failan verschlug es für einen Augenblick die Sprache.
»Du willst, dass ich dir folge?«
Das Männlein stemmte wieder die Hände in die Seiten.
Failan wagte es nicht zu hoffen. Bisher hatte das Wesen nicht den Eindruck erweckt, als könne es Failan verstehen. »Weißt du, wo die Hüterin wohnt?«
Das Wesen verschränkte die Arme vor dem Körper und blickte Failan finster an, als zweifelte es an Failans Verstand.
»Warum hast du das denn nicht gleich gesagt!«, rief Failan entrüstet.
Statt zu antworten, machte das Wesen auf dem Absatz kehrt und marschierte davon. Diesmal beeilte sich Failan jedoch, ihm zu folgen.
Sie wanderten eine Weile schweigend durch das Unterholz. Failan grübelte bereits darüber nach, ob das Wesen ihn wohl in eine Falle lockte, als er erkannte, dass das Unterholz sich ein wenig gelichtet hatte und hier und da vereinzelte Lichtstrahlen auf den Waldboden fielen.
Er traute seinen Augen kaum, als er nach einiger Zeit tatsächlich eine der selbstgebauten Höhlen, in denen die Menschen wohnten, zwischen den Bäumen erspähte. Die Behausung war klein und wie die in den Bergdörfern aus Stein erbaut, mit winzigen Fenstern und einem spitzen Dach. Es verwunderte Failan noch immer, dass die Menschen sich einfach ihre eigenen Höhlen bauten, wo auch immer sie wollten. Vielleicht lag es auch daran, dass es im Flachland weniger Höhlen für die vielen Menschen gab.
Das Männlein blieb zurück, als Failan die Lichtung betrat.
»Kommst du nicht mit?«
Das Wesen sah Failan nur stumm an und Failan hatte keine Ahnung, ob es etwas für seine Dienste als Führer erwartete.
»Ich fürchte, ich habe nichts, um mich für deine Hilfe erkenntlich zu zeigen.«
Das Männlein schüttelte sich nur einmal, sodass sein seltsames Blattgefieder leise raschelte, und war einen Augenblick später bereits im Unterholz verschwunden.
»Hab Dank«, murmelte Failan, während er ihm nachblickte. Er fühlte sich mit einem Mal seltsam allein. Als hätte er einen Beschützer verloren.
Er zögerte noch einen Moment länger, bevor er sich schließlich einen Ruck gab und sich dem Haus näherte. Schließlich war er nicht den ganzen Weg gekommen, um nun den Schwanz einzuziehen.
Goldenes Licht begrüßte Failan, als er aus dem Schatten der Bäume hervortrat und er blieb stehen und blinzelte gegen das ungewohnte Licht. Vögel zwitscherten und es war ein seltsames Gefühl, als würde er aus einem bösen Traum erwachen, wenngleich er die unsichtbaren Blicke aus den Schatten noch immer spüren konnte. Wie konnte ein solcher Ort in all der Dunkelheit existieren? Failan sah sich mit einer Mischung aus Neugier und Wachsamkeit um, doch er konnte keinen Menschen erkennen. Das Haus stand inmitten der Lichtung, die gerade groß genug war, dass Failan sich hätte verwandeln können. Seine Schultern juckten bereits, doch er widerstand dem Drang. Es gab Wichtigeres zu tun. Failan hatte nicht viel Erfahrung mit menschlichen Behausungen und kannte nur die Häuser der Menschen, die in den Bergen lebten, doch das Haus wirkte ausgesprochen klein und dunkel, als trüge es eine unsichtbare Last. Vielleicht war es auch von den Schatten berührt worden, die den Wald bevölkerten. Die kleinen Fenster schienen Failan misstrauisch anzublicken, geradeso, als wäre das Haus lebendig. Failan hätte es nicht sonderlich gewundert. In diesem Wald schien alles möglich.
Stimmen drangen aus dem Haus, als Failan sich der Haustür näherte, er konnte jedoch keine Worte ausmachen. Einen Augenblick lang blieb er vor der verschlossenen Tür stehen, bevor er sich ein Herz fasste und mit der Faust einige Male gegen die Tür schlug, wie er es die Menschen in den Bergdörfern hatte tun sehen. Er musste sich gegen den Türrahmen lehnen, als ihn mit einem Mal eine Welle der Erschöpfung überkam. Sein Magen knurrte lautstark und erinnerte ihn schmerzlich daran, dass er seit Tagen nicht mehr als ein paar mickrige Beeren und Wurzeln gegessen hatte, nachdem sich die Jagd in Menschengestalt als äußerst schwierig herausgestellt hatte. Selbst ein Kaninchen konnte seinen menschlichen Händen entkommen und von den wenigen Beeren, die Failan gefunden hatte, schienen die meisten für seinen menschlichen Leib gänzlich ungeeignet. Vielleicht ernährten sich Menschen auch von anderen Dingen, von denen Failan nichts wusste. Allmählich hatte er es gründlich satt, ein Mensch zu sein.
Er sackte vor Erleichterung zusammen, als sich die Tür endlich öffnete und er in ein Paar goldener Augen blickte, nur um einen Augenblick später seinen Fehler zu erkennen: Die Augen gehörten nicht Rakhanis, sondern einem völlig Fremden, der Rakhanis jedoch zum Verwechseln ähnlich sah.
»Kann ich dir helfen?«, fragte der Mann mit einem freundlichen Lächeln. Er wirkte deutlich jünger als Rakhanis, seine Haut glatter, seine Augen heller und frei von den düsteren Schatten, die Rakhanis mit sich herumgetragen hatte.
Sahen sich alle Menschen so ähnlich? Wie konnten sie sich nur voneinander unterscheiden? Aber nein, Failans menschliche Gestalt sah vollkommen anders aus und nun, da er darüber nachdachte, konnte er sich nicht daran erinnern, in den Bergdörfern einen Menschen mit goldenen Augen gesehen zu haben. Ein Drache also?
Failan wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Was, wenn die Drachen Rakhanis gefunden hatten?